Gegebenenfalls werden Sie mit Erhalt einer Anklageschrift oder sogar schon früher vom Gericht aufgefordert, einen Verteidiger ihrer Wahl zu benennen. Dann liegt ein Fall der sogenannten notwendigen Verteidigung vor.
In bestimmten Konstellationen hält es der Gesetzgeber nämlich für zwingend notwendig, dass Sie von einem Rechtsanwalt beraten und vertreten werden. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn:
- die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet,
- dem Beschuldigten ein Verbrechen (Mindeststrafe 1 Jahr Freiheitsstrafe) zur Last gelegt wird,
- das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann,
- gegen einen Beschuldigten Untersuchungshaft oder eine einstweilige Unterbringung vollstreckt wird,
- zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung in einem öffentlichen psychiatrischen Krankenhaus in Frage kommt,
- dem Verletzten ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist,
- wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.
„Schwere der Tat“ oder „Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage“ sind unbestimmte Rechtsbegriffe und sollen auch solche Fälle auffangen, die in den vom Gesetzgeber explizit genannten Konstellationen nicht enthalten sind, aber dennoch deren Gewicht haben. Das wird in der Praxis häufig angenommen, wenn beispielsweise eine hohe Freiheitsstrafe oder bei einer Verurteilung der Widerruf einer Bewährung droht. Und das kann wiederum schon bei einer Schwarzfahrt oder einem Ladendiebstahl der Fall sein, wenn der Betroffene schon mehrfach und/oder einschlägig vorbestraft ist.
Ein Beschuldigter kann sich in der Regel nicht selbst verteidigen, wenn er der deutschen Sprach nicht mächtig ist und ein Dolmetscher erforderlich ist oder er einen gesetzlichen Betreuer hat.
Sollte also ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegen, haben Sie die Möglichkeit dem Gericht mitzuteilen, von welchem Rechtsanwalt sie gerne vertreten werden möchten. Wenn Sie dem Gericht keinen Anwalt benennen, wird es Ihnen einen Rechtsanwalt aus dem Gerichtsbezirk beiordnen, den Sie höchstwahrscheinlich nicht kennen und der Sie auch nicht kennt. Und wenn dann die Chemie einfach nicht stimmen sollte, ist das schon mal ein ungünstiger Ausgangspunkt. Gegenseitiges Vertrauen ist ein wesentlicher Bestandteil eines jeden Mandatsverhältnisses. Insofern ist es immer ratsam, zu reagieren und sich selbst einen Anwalt auszusuchen.
Überdies ist es in vielen Vollzugsanstalten offenbar ein gängiger Mythos, dass Pflichtverteidiger nur dahergelaufene Wald- und Wiesenanwälte wären, die keine Ahnung haben und nichts können. Das ist natürlich Quatsch. Zum einen ist es höchst unwahrscheinlich, dass das Gericht einen Rechtsanwalt zum Pflichtverteidiger bestellt, der mit Strafrecht nichts zu tun hat. Zum anderen kann sich derjenige, der einen Fachanwalt für Strafrecht beigeordnet bekommt, zumindest darauf verlassen, dass er erstmal in guten Händen ist. Schließlich sollten man generell Empfehlungen hinterfragen von Leuten, die sich selbst in Untersuchungshaft befinden. Denn die haben von Gesetzes wegen auch einen Anwalt (s.o.) und sitzen trotzdem …
Gerne können Sie mich daher kontaktieren, um die Möglichkeiten einer Beiordnung zu besprechen.
Gesetzliche Vorschriften
§ 141 Zeitpunkt der Bestellung eines Pflichtverteidigers
§ 141a Vernehmungen und Gegenüberstellungen vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers